Texte

Gedanken zur Installation ‚Tisch‘

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Ein Tisch. Ein gedeckter Tisch.

Dieser Tisch stellt Fragen. Ist er noch gedeckt, weil Menschen ihn
verlassen haben? Oder ist er bereitet, weil er auf Menschen wartet?
Vor mehr als zweitausend Jahren war dieser Tisch der Ort eines Abschieds. Jesus rief zum letzten Male die Jünger zu sich. Sie bildeten eine Tischgemeinschaft. Mutige und ängstlich Verleugnende, Zweifelnde und Glaubende, Bekennende und Verräter. Ihnen allen war ein Tisch bereitet im Angesicht ihrer Feinde (Psalm 23). Und so hatte dieser HERR auch seinen Weg begonnen: „und es begab sich, da er zu Tische saß im Hause (des Zöllners), siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tische mit Jesus und seinen Jüngern“(Mt 9).
Ein Tisch für alle Menschen, die Platz an ihm suchten.

Aber auch das gilt. Nicht mehr nur, was der Tisch für die Menschen war, sondern eben auch, was er für die Menschen sein wird. „Und sie werden kommen von Osten und Westen und von Norden und Süden und bei Tische sitzen im Reiche Gottes“ (Lk 13).
Und wieder: alle Menschen, die einen Platz an diesem Tisch begehren.

Der Tisch – ein Ort der Erinnerung und ein Ort der Hoffnung. In beidem aber zugleich ein Ort für das Leben im Heute. Er bietet uns an, an ihm unseren Platz einzunehmen. Und er fordert uns auf, den Anderen an ihm Platz nehmen zu lassen.

Darf ein Tisch also leer bleiben? Wird es diesen Tisch je leer geben?
Dagegen steht das Versprechen: „Selig sind die Menschen, die der Herr wach findet, wenn er kommt. Amen, ich sage euch: Er wird sie…zu Tische bitten und vor ihnen gehen und sie bedienen.“ (Lk12)

Klaus Dangschat, 2018

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Zur Installation BLAU. (Horizont), 2017

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BLAU.
Zwischen Himmel und Erde. Zwischen Nähe und Ferne.
Dem Sehen zugewandt – dem Greifen entzogen.

So versteht sich das BLAU zwischen den Kiefern – als ein Versuch, eine Brücke zu schlagen zwischen der diesseitigen Realität des Waldes und der unerreichbaren Transzendenz des Himmels. Ein zarter, wehender Gedanke zwischen den mächtigen Bäumen des Waldes, vielleicht ein kleiner Schritt vom bloßen Empfinden zum klärenden Begreifen. Das schwebende Blau inmitten des ganz realen Grün kann durchaus ein Bild dafür sein, dass Gott seine Anwesenheit mitten unter uns zugesagt hat (Matthäus 18). Es nimmt wahr, dass Gott „mitten in unserem Leben jenseits“ ist (Bonhoeffer).
In der religiösen Farbsymbolik sind die Farben Rot, Gelb, Grün und Violett von herausragender Bedeutung. Auch Weiß und Schwarz sind häufig vertreten. Dagegen tritt die Farbe BLAU hier nahezu gar nicht auf. Allein im Judentum begegnet uns die Farbe Blau – als Farbe der Herablassung JAHWEs zu den Menschen.
Steht dahinter ein verbreitetes Empfinden, dass BLAU die „Farbe der Ferne“1 ist? Dafür spricht immerhin, dass BLAU trotz ihrer rituellen Seltenheit dennoch vielfach als Symbolfarbe des Göttlichen, der Transzendenz gilt. Das sichtbare Blau des Himmels, seine undefinierbare Tiefe und seine individuelle Unfassbarkeit erlaubten vor allem dem christlichen Mittelalter „die Deutung dieser Farbe als Himmlische und legitimierte gemäß ihrer Eigenschaft als Farbe der Transzendenz ihre Verbindung zu Gott.“2 In großer Nähe hierzu sah es auch Wassiliy Kandinsky: „Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem. Es ist die Farbe des Himmels, so wie wir uns ihn vorstellen beim Klang des Wortes Himmel.“
Diese Gedanken über das Blau des Himmels nehmen offenbar unmittelbar Bezug auf das Bedürfnis von Menschen, im Blau des Himmels ein sichtbares Zeichen – fern und nah zugleich – der Unendlichkeit und der Unermesslichkeit zu sehen. „Die Unermesslichkeit als philosophische Kategorie des Träumens wird nirgends sichtbarer als in der Farbe Blau. Dass man zur freien Betrachtung des Himmels gelangt ist, darin liegt wohl einer der größten Fortschritte der Menschheit. Dieses Wagnis gingen unsere Vorfahren an dem Tag ein, als sie ihre verborgenen Grotten verließen und ihre animalische Furcht vor der freien Natur überwanden, an dem Tag, als ihr Selbstvertrauen groß genug war, den Blick nach oben zu richten und ihn in den grenzenlosen blauen Raum zu versenken. Das Gefühl von grenzenloser Ausdehnung bei der Wahrnehmung von Blau bewirkt, dass wir uns der Unermesslichkeit in uns bewusst werden.“3
Diese dem Bewusstsein durchaus zugängliche Empfindung von Unendlichkeit und Unermesslichkeit begegnet nun fast ausschließlich im Zusammenhang mit der Farbe BLAU. So hat Yves Klein als sein eigentliches Reich „das der blauen Leere in seiner inneren Unermesslichkeit“ erkannt. Und auch Goethe spricht in seiner Farbenlehre von der suggestiven Kraft, die von der Farbe BLAU ausgeht: „Es ist etwas Widersprechendes von Reiz und Ruhe in ihrem Anblick. Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau sehen, so scheint eine blaue Fläche auch vor uns zurückzuweichen. Wie wir einen angenehmen Gegenstand, der vor uns flieht gern verfolgen, so sehen wir das Blaue gern an, nicht weil es auf uns dringt, sondern weil es uns nach sich zieht.“ Auch hier begegnet wieder das Zugleich von Ferne und Nähe im Zusammenhang mit der Farbe BLAU.
Das nun führt wieder zurück von dem Gedanken der Unendlichkeit und Unermesslichkeit des blauen Himmels zum unmittelbaren Empfinden des Menschen beim Anblick der Farbe BLAU: „Blau ist an die Erde, an den Menschen, an unser Empfinden gebunden. Es markiert den Sog der Sehnsucht, es ist die Farbe unserer Heimatlosigkeit, die Farbe der im Leben nicht begehbaren Brücke zwischen Himmel und Erde.“4

Immerhin eine Brücke! Zwar nicht begehbar, aber eben auch nicht ohne Beziehung.

[1 „Blau–Farbe der Ferne“, Katalog Kunstverein Heidelberg, 1980; 2 Beate Bendler; 3 Pierre Restany; 4 Hans Gercke, (alle in „Blau-Farbe der Ferne)]

Klaus Dangschat, November 2017


Text zur Zeichnung ‚Antlitz‘

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Ein Gesicht.

Es scheint aus der Ferne zu kommen. Nah. Aber vielleicht auch das: es zieht sich aus der Nähe zurück.
In eine beginnende Ferne?

Ein Gesicht, das Fragen stellt. Und doch zugleich aus einer Sicherheit der Fraglosigkeit zu kommen scheint. In jedem Fall: ein Gesicht, das teilnimmt. An uns, den Betrachtern.
Zunächst ist es nur das Gesicht eines Menschen. Geschaffen nach dem Bilde Gottes. Oder das eines Menschen, der sich zurückzieht in die Geborgenheit Gottes? Das Bild eines Menschen, der auf uns zukommt oder der uns bei uns selbst zurücklässt?

Die Offenheit dieses Bildes – Nähe oder Ferne, gegenwärtiges Sein oder Rückzug – lenkt die Gedanken zu diesem Gesicht auf den Menschen, der dies alles in sich fasste. Aber auch dann bleibt eine Unsicherheit: Jesus oder Christus? Schon Jesus oder noch Christus? Noch Jesus oder doch schon Christus? Gerade diese Ungewissheit aber überlässt das Gesicht dem Betrachter. Ihm bleibt es belassen, was in seiner jeweiligen Situation aus dem dargestellten Gesicht auf ihn zukommt. Und so ist er wieder in seiner Ausgangssituation: Nähe oder Ferne? Aber vielleicht sogar beides zugleich?

Das nun entspräche dem, was das Nicänische Glaubensbekenntnis schon seit Jahrhunderten bekennt: dieser Mensch Jesus bleibt Mensch auch nach seiner Auferstehung. Und dieser Christus war und ist „wahrer Gott vom wahren Gott“ auch nach seiner Menschwerdung. Er war und bleibt dies alles in Einem.
Damit aber scheint das Gesicht noch etwas hinzuzufügen. Es sagt dem Betrachter: ich, Jesus Christus, weiss, wer du bist. Ich nehme dich, wie du bist. Ich will dich, wie du bist und sehe dich, wie du sein sollst.
Bleibe wer du bist.

Das genau meint die Zusage der unantastbaren Würde des Menschen, die ihm mit seiner Schöpfung verliehen wurde. Und es spricht an die den Menschen erlösende Freiheit, nicht immerfort unter dem ‚elenden Zwang seiner Selbstverwirklichung‘ zu stehen. Bleibe, Mensch, der du bist.

Ist das die Aussage des Gesichts? Jedenfalls ein Versuch, es zu verstehen.

Klaus Dangschat, 2015

 


Zur Gefäßkeramik ‚Paar, Berührungspunkt‘

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Zwei Gefäße, als Paar benannt, treten in Beziehung zueinander und zusammen zu ihrem Umraum und zur Zeit.
Sie zeugen in ihrer äußeren Form und ihrer Haltung von Ruhe und Beständigkeit, allein auf ihrer Oberfläche sind Narben und Risse, die Öffnungen enden in Abbrüchen und Auszehrungen, es sind Verwundungen eingeschrieben, dem Zeitverlauf, dem gelebten Leben geschuldet, der Vergänglichkeit bestimmt –
dennoch existieren sie in ihrer merkwürdigen Schönheit weiter, setzten dem gegebenen Lauf der Zeit ihre ruhige Gelassenheit entgegen – wartend – seiend.

selbst, 2016

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Zu ‚mare nostrum‘ 

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Das  Holzstück, das bei einem Sturm aus einem Baum herausgedreht, herausgerissen wurde, zeigt eine große Zerstörungskraft. Es erinnert an eine zerschmetterte Bootsplanke, die am Strand angespült sein kann. Es liegt nicht ebenerdig, sondern auf einem Sockel (einem Bildhauerbock). Einerseits um von dem Gedanken einer Inszenierung wegzukommen, und um deutlich zu machen, es ist ein Kunstgegenstand. Das Motiv der Aufbahrung klingt an. Daneben läuft auf einem Handy ein Video, eine Strandaufnahme, die stetig wiederkehrende Brandung, ein sehr weit entfernter Horizont, irgendwann laufen zwei Menschen, von denen nur die Beine zu sehen sind, durchs Bild; das Leben geht weiter , einige bleiben auf der Strecke…
Meine erste Idee war das Video in der Ausstellung per Beamer groß zu projizieren. Anfang 2015 wurde das Elend der Flüchtlinge so dramatisch, dass ich von einer großen Projektion absah. Ein Handy, Alltagsgegenstand, Nachrichtenübermittler, in Afrika wohl auch Übermittler der Nachrichten von Menschen, die es ‚geschafft‘ haben, Hoffnungsträger und Unheilsbote, schien mir angemessener.

selbst, 2015

 


Zu ‚Ruderboots Traum‘

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Ruderboots Traum

Oder der Traum der Menschen von einem Boot. Ihr Traum von einem sicheren Boot, jenseits der Gefahren des Meeres und der Stürme des Himmels. Ihr Traum von gefahrloser Flucht und gelingendem Ankommen. Der Traum der Menschen von einem Boot, das Sicherheit und Freiheit verspricht. Das die Tür zu einem neuen Leben öffnet.
Wird dahinter auch die Situation des Bootes auf dem See Genezareth sichtbar, in der Jesus die Jünger in ihrem Boot aus Angst und Verzweiflung rettete? Ist es so Ausdruck einer letzten Hoffnung von flüchtenden Menschen, ihr Leben doch erhalten zu können?
Aber es ist ein leeres Boot. Spricht es davon, dass die in ihm übersetzenden Menschen bereits das Ufer erreicht haben und schon gerettet sind? Dann kann das Boot durchaus auch Ausdruck bereits erfüllter Hoffnung sein und nicht entfernt von jenem Boot sprechen, in dem die Toten über den Styx geführt wurden.
Das Boot bleibt auf diese Weise, zwischen Himmel und Erde, situationsbezogen, aber gedankenoffen.

Klaus Dangschat

 


Pressetext zur Ausstellung ‚Boote und Gefäße‘ 2015, kunstundraum.berlin

In kunstundraum.berlin, einem neuen Ort für Kunst in Reinickendorf, zeigt die Bildhauerin Susanne Schill ihre Gefäßskulpturen und Installationen.
Bevorzugte Materialien sind Keramik und Gips. Formen, die in sich kraftvoll und geschlossen, oft auch körperhaft wirken, werden aufgebrochen, glatte,’heile‘ Flächen verlieren sich in Rissen und Brüchen.
Eine Weiterführung der Objekte sind photographische Inszenierungen zum Bild, ein Moment, der Raum für Assoziationen öffnet.
Demgegenüber stehen die Boote, mal als ein schwebendes Traumgebilde, mal als ein am Ende aller Hoffnung Zerschelltes („mare nostrum“).

 


Eigendarstellung:

Nach dem Studium der klassischen Bildhauerei mit Versuchen in vielen Materialien, liegen meine Schwerpunkte jetzt im Bereich Ton und Gips, in den letzten Jahren Beschäftigung mit keramischen Gefäßskulpuren, hier vor allem Schalen als ‚empfangende‘ Gefäße und Vasenpaare.
Fortführungen dazu sind fotografische Inszenierungen und Rauminterpretationen mit religiöser Thematik, das ‚Sein‘ im Raum, das Thema der Dunkelheit, das Spiel mit Licht und Schatten.